Kulturkampf von rechts – die rechten Sozialproteste haben begonnen!

Die rechten Aufrufe zur aktuellen Lage nehmen zu. Ihnen folgen (gerade im Osten) Woche für Woche mehr. Querdenker*innen, die neben Corona, das Thema Inflation und Krieg in der Ukraine aufgreifen, vereinen sich in einer rechten gemeinsamen Front mit der AfD, Neonazis und Identitären und verschieben die Debatten nach rechts. Die Basis dafür sind die metadiskursiven Strategien der  Rechten. Wir wollen im Folgenden diese Strategien ein wenig unter die Lupe nehmen und Perspektiven für eine antifaschistische Antwort geben.
Die Saat in die Köpfe der Menschen

Von CDU/CSU, über Springermedien, rechte Internetaktivist*innen, Burschenschaften bis ins klassische faschistische Milieu wird sich lauthals mokiert, dass man in „unserem“ Land nichts mehr sagen dürfe. Als gute Beispiele sind die Debatten um den Schlagersong #Layla und die #Winnetou Festspiele in Bad Segeberg zu nennen. Zwar gibt es die Auseinandersetzung über frauenverachtende Musik und rassistisch konnotierte Romane nicht erst seit gestern, aber sie werden aktuell medial so stark befeuert, dass sie eine breite gesellschaftliche Aufmerksamkeit erzeugen und so ein Milieu erreichen, das sich sonst nicht oder nur wenig für politische Themen interessiert. Dabei wird das rechte Framing genutzt, dass alles zensiert werde, was irgendwie Spaß mache oder schöne Erinnerungen hervorrufe. Gleichzeitig eine effektive Ablenkung von wirklich wichtigen Diskursen wie zum Beispiel der Umverteilung von Reichtum.

Dass die deutsche Kultur geprägt ist von sexistischen, rassistischen und antisemitischen Bausteinen und dadurch die Grundlage sowohl für konkrete Übergriffe, als auch für strukturelle Diskriminierung am Arbeitsplatz, bei der Wohnungssuche oder bei Behörden ist, kommt bei vielen Menschen nicht an. Oder es interessiert sie nicht, da sie nicht betroffen sind. Betroffen sind sie nur in der Einschränkung, weniger sexistisch, rassistisch oder antisemitisch sein zu sollen.
Freiheit im Kapitalismus

Dabei stehen aktuell, wie noch nie, zig verschiedene Lebenswege zur Verfügung. Du kannst sein, wer du sein möchtest, dir steht vermeintlich die Welt offen. Das Problem ist nur, wenn du nicht auf der Sonnenseite dieser Gesellschaft stehst (und das tun immer weniger), denn die Freiheit ist in unserer Gesellschaft vom Geldbeutel abhängig. Wenn du die Freiheit der anderen siehst, deine ökonomischen Zwänge dich aber daran hindern, an der ganzen Freiheit teilzunehmen, die Freiheit vielleicht sogar überfordert, dann sehnen sich immer mehr Menschen nach einer geordneten Welt, mit starken Führern, die sagen, wo es lang geht. In diese Gefühle sticht die rechte Propaganda gezielt rein.

Gleichzeitig und etwas paradox fühlen sich viele Menschen in dieser repräsentativen Demokratie nicht ernst genommen. Partizipations- und Teilhabemöglichkeiten, die über das Wählen hinausgehen, sind begrenzt und mit viel Arbeit verbunden. Hinzu kommt, dass die Gewählten nicht das umsetzen, wofür sie gewählt wurden bzw. noch großspurig erklären, dass es doch am Verhalten der Wähler*innen liege, dass etwas nicht umgesetzt werde. Diese Bevormundung und das Nichtaktiv-mitwirkenkönnen an politischen Prozessen führt zu dem Gefühl, dass „die da oben“ eh nur das machen, was sie wollen oder was „dunkle Mächte im Verborgenen“ ihnen einreden (Verschwörungsmythen boomen). Auch hier greifen rechte Narrative von einer „cancel culture“ die Gefühle auf. Dabei wird gezielt unterschlagen, dass vor allem Linke und linke Analysen aus Medien, öffentlichen Debatten und akademischer Forschung gecancelt werden. Nur vielleicht eine Wagenknecht nicht, aber sie greift ja gezielt die rechten Narrative auf.
Die rechte Revolte gegen die „Meinungsdiktatur“

Jetzt aber aus einer moralischen Erhabenheit alle als Sexist*innen oder Rassist*innen darzustellen, die Layla hören oder Winnetou lesen, ist erstens faktisch nicht richtig und zweitens kontraproduktiv. Es ist nicht richtig, weil aus diversen Gründen Ballermannlieder gehört werden, z.B. weil es im betrunkenen Zustand gut mitgesungen werden kann, sich im Ohr verfängt oder die Menschen einfach gute Laune im Kontrast zum Alltag bekommen. Auch Winnetou lesen, regt Phantasie und Abenteuerlust an. Grundsätzlich positive Gefühle. Jetzt den Menschen eine individuelle Schuld an ihren Musik- und Buchvorlieben zu geben, erzeugt zum einen eine Trotzreaktion und lenkt von der Auseinandersetzung mit struktureller Diskriminierung ab. Jetzt gewisse Lieder oder Romane umzuschreiben oder verbieten zu wollen oder sie tatsächlich zu verbieten, erzeugt ein großes (rechtes) Echo der Empörung und die Menschen fühlen sich in einer kleinen Revolte gegen die „Meinungsdiktatur“. Dabei ist ihnen hauptsächlich egal, ob sie wen diskriminieren. Es findet demnach keine Sensibilisierung mit den Themen statt, sondern eine intrinsisch motivierte Begründung/ Rechtfertigung, warum es in Ordnung ist, sexistische, rassistische und antisemitische Inhalte zu konsumieren.

Da wächst eine Meinung heran, dass es in Ordnung sei, diskriminierend zu sein. Eine ähnliche argumentative Grundlage hat sich schon vor 10 Jahren bei PEGIDA gebildet, als Propaganda verbreitet wurde, dass das Abendland in Gefahr sei, als jemand den Vorschlag unterbreitete, St. Martin in Sonne, Mond und Sterne Fest umzubenennen. Und jetzt wieder legen die Rechten die Saat, um die (berechtigten) Emotionen über fehlende Partizipationsmöglichkeiten und soziale Abstiegsängste auf marginalisierte Gruppen zu lenken. Sich selbst besser fühlen, während es anderen noch schlechter geht. Das (kurze) Gefühl der Erhabenheit des auch (mal) nach unten treten dürfen, wird einen größeren mobilisierenden Charakter haben, als die hohen Zahlen auf der Stromrechnung. Eine Emotion, die sich auch die Nazis in den 30er Jahren zu Nutze gemacht haben, als massenhaft Arbeiter*innen aus den linken Parteien und Gewerkschaften zu den Faschisten abwanderten.
Antworten auf die Meta-Politik der Rechten

Damit wir nicht wieder die gleichen Fehler machen, braucht es eine antifaschistische Strategiedebatte, wie damit umgegangen werden kann. Wie können wir der rechten Meta-Politik entgegenwirken? Dazu haben wir ein paar Antworten gesammelt und hoffen, dass sie euch bei der politischen Arbeit helfen. Sie sind aber keineswegs abschließend und müssen auf die jeweilige Situation angepasst werden.

Zunächst sollten wir diese Debatten nicht Rechten vs. Liberalen überlassen. Liberale ohne Klassenstandpunkt argumentieren häufig mit individuellen Reflexionsprozessen, denen sich die Menschen unabhängig ihrer Verhältnisse doch bitte selbstständig unterziehen sollen. Aus einer voreiligen Rücksichtnahme gegenüber sich zu Wort gemeldeten betroffenen Stimmen werden dann Zensur oder Verbote gefordert bzw. umgesetzt. Eine Maßnahme, welche die Rechten mit Leichtigkeit aushebeln, indem sie ebenfalls Betroffene präsentieren, die sich nicht diskriminiert fühlen. Im Grunde bringen diese Verbotsvorschläge von oben nichts und führen sogar zu Gegenteiligem. Für viele Menschen wird das als „links“ wahrgenommen. Für viele Menschen bedeutet links sein nämlich die Linkspartei, die Grünen und dann noch die „radikale“ Antifa. Was anderes gibt es für breite Teile der Gesellschaft nicht. Und wenn aus der „grün“-liberalen Ecke Verbote gefordert werden, dann muss die Antifa oder andere Radikale erst recht dafür sein. Es ist daher notwendig, als kommunistische und anarchistische Akteur*innen in dem Diskurs mitzuwirken. Wir müssen mit den Leuten auf Augenhöhe diskutieren. Dass es eine kritische Auseinandersetzung und eine Veränderung  des kulturellen Bewusstseins geben muss, steht außer Frage, doch sollte dies vor allem durch verschiedene Gesprächs- und Bildungsangebote, sowie der historischen und strukturellen Einordnung stattfinden und nicht durch eine Einteilung in gute Reflektierte und böse Ignorant*innen.

Darüber hinaus sind die Klassiker nach wie vor erfolgsversprechend. Um die finanzielle Situation der Menschen zu verbessern, bedarf es Sozialproteste und gegenseitiger Unterstützung. Dabei muss eng mit den Menschen zusammengearbeitet werden, die unter den Auswirkungen der Krisen leiden, und nicht aus einer akademischen und seit Jahren politischen Erhabenheit den Menschen die Welt erklärt werden. Es braucht die Möglichkeit an den Protesten und der Bündnisarbeit zu partizipieren, in dem Rahmen, in dem die Menschen partizipieren wollen und können. So entsteht Identifikation mit linken Inhalten und das Gefühl etwas bewirken zu können. Nutzen wir die berechtigte Wut, um die Herrschenden anzugreifen und gleichzeitig ein gutes Leben für alle zu erkämpfen, nicht um nach unten zu treten. Verausgaben wir uns nicht zu sehr an rechten Ablenkungsmanövern und tappen in ihre Diskursfallen, sondern vertreten eine klare Stimme der Umverteilung, denn auf diesem Feld haben die Rechten keine guten Antworten.

 

Link zur Telegramgruppe über Sozialproteste in Witten:

https://t.me/SozialesNetzwerkWitten