Antifa Jahresrückblick 2023 für Witten und Umgebung

Das Jahr 2023 stand ganz im Zeichen „Was tun gegen die ganze Scheiße?“ Was können wir als Antifaschist*innen, als linke Szene, als Menschen in diesem System tun, damit es uns und anderen besser geht trotz drohender Hoffnungs- und Strategielosigkeit im Umgang mit den multiplen Krisen unserer Zeit und der Vereinzelung im Kapitalismus?

Darauf haben wir verschiedene Antworten gefunden und eine Menge verschiedener Aktionsformen ausprobiert.

Antifaschistische Aktivitäten in Witten und Umgebung

Das Jahr begann direkt mit mehreren Veranstaltungen im Januar. Am 11. Januar wurde das selbstorganisierte und besetzte Dorf Lützerath von tausenden hochaufgerüsteten Polizeikräften im Namen von RWE unter der Duldung der Schwarz/Grünen Landesregierung geräumt, damit die Braunkohle unter dem kleinen Dorf abgebaut werden konnte. Dadurch verfehlt Deutschland unter seiner „Fortschrittsregierung“ das Erreichen der 1,5° Ziele und auch die letzten Linken merkten, dass die Grünen auf der Seite des Kapitals stehen. Rund 50 Personen aus Witten machten sich auf den Weg nach Lützerath, um sich der Polizei entgegenzustellen. 

Vier Tage später organisierten wir mit unseren Freund*innen der Antifa Linke Bochum eine Wanderung „auf den Spuren der roten Ruhrarmee“ und solidarisierten uns mit den Protesten in Lützerath. Die Wanderung war der Startpunkt für mehrere gemeinsame sportliche Freizeitaktivitäten.

Ebenfalls im Januar feierten wir im soziokulturellen Zentrum Trotz Allem eine große Antifa Party mit dem Musik-Duo Present Paradox. Der Laden platzte aus allen Nähten und gab den Auftakt für viele schöne  Veranstaltungen im Trotz Allem.

Am 27. Januar, dem Holocaustgedenktag, der Tag an dem 1945 Auschwitz befreit wurde, wurde in dem an Witten angrenzenden Stadtteil Dortmund Oespel ein Nazidenkmal beschiert und ein Bezug zu den Wittener Sinti hergestellt, die in umittelbarer Nähe zu dem Denkmal zur NS-Zeit leben mussten und von da aus nach Auschwitz deportiert wurden. Diesen wurde dann am 9.3. mit einer Kundgebung 80 Jahre nach ihrer Deportation zum ersten Mal gedacht und die SPD stellte einen Antrag für ein Denkmal im

Wittener Stadtrat, welcher Mitte Juli beschlossen wurde. Das freut uns sehr und wir hoffen, dass die Stadt ihrer historischen Verantwortung nach Aufarbeitung gerecht wird. Gegen das Vergessen!

Um den ersten Mai war wieder viel los in der Umgebung. So gab es im akut räumungsbedrohten AZ in Wuppertal zum 50-jährigen Bestehen mehrere Veranstaltung von Konzert über Lesung bis zur traditionellen 1. Mai Demo. Auch in Bochum fand wieder mit der Vorabenddemo das Jahreshighlight statt, zu der rund 40 Personen aus Witten gemeinsam anreisten. Danke nach Bochum an die Genoss*innen für’s Organisieren! 

Auch in Witten fand die traditionell vom DGB organisierte Kundgebung auf dem Rathausplatz statt, aber das war weder besonders kämpferisch, noch besonders spannend. Stattdessen unterstützten wir lieber die Antifaschist*innen in Recklinghausen, Lünen und Dortmund und protestierten gegen eine „Ruhrgebietskundgebungstour“ der Nazis von der Partei „Die Heimat“ (vormals NPD u. Die Rechte). Rund 400 Antifas machten den gerade mal 60 Nazis den Tag zum Spießroutenlauf. 

In der ersten Hälfte des Jahres wurden im Wittener Stadtbild vermehrt rechtsradikale Aufkleber gesichtet, sodass Anfang Juli mit einem öffentlichen Cornern gegen rechts im Stadtpark darauf reagiert wurde und eine Vielzahl an antifaschistischen Aufklebern verteilt werden konnte, die flächenddeckend auf die Propaganda der Faschisten angebracht wurden, sodass die rechte Raumnahme in den folgenden Wochen zum Erliegen kam. Vielen Dank an alle fleißigen Helfer*innen!

Ende Juli fand dann Teil zwei unserer sportlichen Aktivitäten statt. So gingen wir mit der Antifa Linke Bochum und weiteren netten Personen im wunderschönen Avalonia bouldern. Da zeitgleich der AFD-Parteitag in Magdeburg stattfand, schickten wir eine klare Ansage an die Rechten. Wir haben keinen Bock auf euch!

Im August fanden zwei wichtige Demos in Dortmund statt. Zum einen wurde am 5.8. gegen das AfD-Büro von Matthias Helferich in Dorstfeld demonstriert, welches als Bildungs- und Vernetzungstreffpunkt für die Neue Rechte in NRW dient, zum anderen fand am 12.8. die Großdemonstration für den von vor einem Jahr von der Polizei erschossenen Mouhamed statt. Der Protest gegen die Polizeikräfte hat mittlerweile begonnen.

Ab September begann im Rahmen des Antifa Cafe’s im Trotz Allem die Veranstaltungsreihe zum Thema Depressionen statt. Bei mehreren spannenden Vorträgen und Diskussionen setzten wir uns kritisch mit dem Thema im Kapitalismus auseinander und reflektierten, was das für (unsere) politische Arbeit bedeutet. Danke, an alle Referent*innen und Mitwirkenden!

Der brutale Angriff der Hamas am 7. Oktober auf die israelische Bevölkerung und der darauf folgende Krieg im Nahen Osten wurde auch in Witten thematisiert. Doch leider öffentlich wahrnehmbar vor allem von bürgerlichen Kräften wie Parteien, Kirchen und Gewerkschaften und somit blieb es weitestgehend bei oberflächlichen moralischen Bekundungen, anstatt einer tiefergehenden Auseinandersetzung. Zwar unterzeichneten wir mit anderen Antifa Gruppen in NRW einen gemeinsamen Text gegen den antisemitischen Terror und Rassismus, leider konnte (oder wollte?) es sich nicht in konkreter Praxis in Witten niederschlagen. So bestimmten die medialen Inhalte in der lokalen Presse vor allem das Abreißen der Israelfahne durch Jugendliche und einen Bürgermeister, der sich als der Beschützer jüdischen Lebens präsentieren konnte, und das obwohl er schon unter den Symbolen der Grauen Wölfe Tee trank, sich mt Vertretern der AfD traf und seine Reden zum 9. November sind ebenfalls furchbar.

Ende Oktober konnte erfreulicherweise das Anti-Rechts-Bündnis im Ennepe-Ruhr-Kreis (ENSSQ) reaktiviert werden und das erste Mal seit Corona wieder aktiv werden! So konnten Kundgebungen in Wetter und in Witten organisiert werden und den rechten Bemühungen der AfD Parolie geboten werden. Viele motivierte Menschen waren anwesend, die Lust haben, der AfD eins auf’n Sack zu geben. Das finden wir klasse und sind gespannt, was da noch bewegt werden kann!

Kurz vor Weihnachten luden wir dann zum dritten Mal in diesem Jahr zu einer sportlichen Aktivität den „Antifa Weihnachtslauf„. So liefen wir mit rund 40 anderen Menschen um den Kemnader See, genoßen die Sonnenstrahlen und mitgebrachte Speisen und lernten noch etwas über das „wilde KZ“ an der Zeche Gibraltar kennen. Diese und auch die anderen sportlichen Veranstaltungen haben uns so viel Spaß gemacht, dass wir schon eine Menge Pläne für’s kommende Jahr haben.

Rechte Aktivitäten in Witten und Umgebung

Die rechten Aktivitäten haben im Vergleich zum letzten Jahr zugenommen, sind aber im Vergleich zu anderen Regionen auf niedrigem Niveau.

Die extreme Rechte war in Persona so gut wie nicht sichtbar. So wurden lediglich auffällig viele rechte Aufkleber von März bis Juli in Witten geklebt und ein Stromkasten zweimal in Reichskriegsfahnen bemalt. Dann war erstmal Ruhe. Erst im November wurden wieder vermehrt rechte Aufkleber geklebt, der gleiche Stromkasten bemalt und ein kleines Gedenken am 19.11. in Heven mitten in der Nacht durchgeführt. 

Es wohnen nach wie vor Nazis aus der ehemaligen Kameradschaft und der Partei „Die Heimat“ in Witten, allerdings sind sie aktuell nicht stark genug, um gemeinsam wirksam aufzutreten. Dass sie trotzdem gefährlich sind, zeigt ein Beispiel aus Bochum. Wo genau einer dieser Nazis einen Anschlag auf eine Synagoge durchführte. Auch im EN-Kreis gibt es immer noch rechtsradikale Akteure. So wurden in Hattingen zwei Rechtsrockkonzerte organisiert, bei der Maiwoche in Herdecke tauchte eine gewaltaffine Gruppe um den Dortmunder Nazi Feldmann auf und auch der rechte Motorradclub „Ghost Gang MC“ aus Schwelm ist nicht zu unterschätzen. Eine erfreuliche Nachricht gab es dennoch, so wurde im Rahmen des Hammerskin-Verbots der (vor Jahren) geoutete Hammerskin Heise aus Wetter gerazzt.

Bei den aktuellen Umfragewerten der AfD hat auch der EN-Kreisverband Oberwasser. So haben sie eine hohe zweistellige Zahl an Neumitgliedern in diesem Jahr dazubekommen. Zwar konzentrierte sich die Arbeit der Führungsköpfe insbesondere auf die Parlamentsarbeit, allerdings nahmen auch Aktivitäten außerhalb zu. So gab es im EN-Kreis mehrere Infotische, Flyeraktionen und Stammtische. Dabei wurde Wetter als Hauptaugenmerk ausgemacht. Dort würde die AfD gerne Fuß fassen. Zum Glück ist der Widerstand jedoch groß. So musste die AfD einen geplanten Stammtisch absagen und auch sonst konnte die AfD aus dem Stadtbild herausgehalten werden. Und auch in Witten haben viele Menschen keinen Bock auf die Rechten, so kamen rund 150 Personen zu einer Kundgebung gegen rechts und nach Angaben der AfD verloren einige AfDler ihre Flyer und auch ein Infotisch wurde abgeräumt. Vielen Dank an dieses beherzte Eingreifen. Witten hat keinen Platz für Rassismus!

Was war sonst so? Linke Aktivitäten in Witten

Auch über klassische Antifa-Arbeit hinaus gab es eine Menge linker politischer Veranstaltungen. Dabei sind in erster Linie die vielen Veranstaltungen im Trotz Allem zu nennen. Vorträge, Lesungen, Diskussionen, Brunchen, Filmabende, das Sommerfest und zwei große Konzerte im Treff boten ein abwechslungsreiches Angebot. Besonders hervorgehoben werden muss die Küfa, die es schaffte, jeden Dienstag ein leckeres Essen zu zaubern. Und zwar nicht nur im Trotz, sondern auch auf dem Reilfest in Halle oder auf dem Wiesenviertelfest. Richtig gute Sache, wenn ihr auch Interesse habt, kommt gerne vorbei und macht mit.

Und auch andere linke politische Akteure waren in Witten aktiv. So organisierte die Migrantifa Bochum ein großes Konzert in der Werkstatt und die feministische Gruppe das queerfeministische Sommerfest im Treff. Die Plattform Ruhr veranstaltete mehrere kleine Treffen in Witten. Für den in Herford schwer verletzten Bilal wurden massiv Plakate in Witten geklebt, die auf die Schuld der Polizei und die Proteste hinwiesen. Das Friedensbündnis organisierte eine Kundgebung zum Antikriegstag und auch FFF schaffte es zum bundesweiten Aktionstag im September noch rund 100 Personen zu mobilisieren.

Auf geht’s ins neue Jahr! Weitermachen!

Alles im Allen war wieder viel los in Witten und Umgebung. In Zeiten, in denen sich die Linke im Umbruch befindet, nach Antworten auf die weltweiten Krisen und den Rechtsruck suchen, haben wir die Zeit genutzt, unsere Strukturen auszubauen und sind bereit, wenn es heißt: Die Rechten zu Boden!

Daher bedanken wir uns bei allen, die dieses Jahr so tatkräftig mitgewirkt haben und sind gespannt, was das neue Jahr für uns und für die linke Bewegung bereithält. Gehen wir es an!