1.Mai in Witten

Zum ersten Mal seit 4 Jahren gab es in Witten nicht nur die übliche DGB-Veranstaltung, sondern auch eine progressive Demo, die wir zusammen mit anderen Gruppen und Einzelpersonen organisiert haben. Unter dem Motto der „Wer hat, der gibt“-Kampagne sind  200-300 Menschen durch die Wittener Innenstadt gezogen und haben lautstark ihre Meinung zum Umgang mit der Corona-Krise, Kapitalismus und Faschismus kundgetan. An der Stadtgalerie endete der Demozug mit Redebeiträgen von „Wer hat, der gibt“, dem Trotz Allem, der SDAJ, dem Mieter*innenverein Witen und uns. Im Anschluss haben Akzent One und Lucky Lou die Gelegenheit genutzt, seit langem mal wieder ein Live-Konzert geben zu dürfen.

 

Hier ist unser Redebeitrag zum Nachlesen:

Nein, nur weil du bei einer Querdenken-Demo warst, bist du kein Nazi.

Das macht die Sache aber trotzdem nicht besser. Die Querdenken-Proteste sind zwar eine Ausdrucksform realer finanzieller Sorgen und autoritärer Maßnahmen, allerdings sind ihre Forderungen weder mehr Gerechtigkeit, noch mehr Freiheit, sondern die Spitze des kapitalistischen Egoismus. Menschen, die sich noch nie für irgendwas eingesetzt haben, ob gegen Hartz IV, das Sterben im Mittelmeer oder Rassismus, wähnen sich jetzt als Widerstandskämpfer. 
Zum ersten Mal bekommen sie die Ungerechtigkeiten des Kapitalismus am 
eigenen Leib zu spüren und vergleichen sich als Jüd*innen im Holocaust. Diese 
Relativierung ist zum kotzen! Sich mit Anne Franks Tagebuch ablichten zu lassen, gelbe Sterne mit der Aufschrift “ungeimpft” zu tragen oder sich als Sophie Scholl zu bezeichnen, hat mindestens einen Schlag in die Fresse verdient.

Weil das aber auf den Querdenken-Protesten niemand macht oder ihnen irgendwie anderweitig zu verstehen gibt, wie scheiße das ist, fühlen sich Neonazis unter ihnen pudelwohl. Eine Bewegung, in der rechtem Gedankengut nicht widersprochen wird, in der Verschwörungstheorien und Wissenschaftsfeindlichkeit zum guten Ton gehören, da ist der ideale Nährboden für den Faschismus. So ist es auch nicht verwunderlich, dass alle rechten Akteur*innen - von AfD, IB, Reichsbürger und Nazikameradschaften - sich den Querdenkenprotesten angeschlossen haben. Während Esoterikhippies mit ihren Peace-Fahnen ihre Liedchen trällern, durchbrechen Nazihools Polizeiketten.

Auch wenn wir jetzt nicht so viel Mitgefühl für die Polizei haben, sind wir doch ein bisschen erstaunt, wie einfach den Nazis dies gelingt. Auch wenn die Bilder in den Medien sehr dramatisch wirkten, hatten wir doch eher das Gefühl, dass die Querdenker es recht einfach hatten, sich über Verbote hinwegzusetzen. 
Wenn wir so auf unsere Demoerfahrungen zurückblicken, dann ist jede Demo, die nur ansatzweise den Eindruck vermittelte eine Sitzblocke machen zu wollen, im Polizeikessel gelaufen. Jedes Vermummen wurde konsequent verfolgt, die G20-Demo sogar mit hohen Verletztenzahlen in Kauf genommen. 
Und bei den Querdenkern: Wenn mal genug Polizei vor Ort ist, was nicht unbedingt der Fall war, hält sie sich doch auffällig damit zurück, Auflagen durchzusetzen oder Straftaten zu verhindern. Die heutige Maskenpflicht ist das frühere Vermummungsverbot. Der Umgang der Polizei ist jedoch ein ganz anderer. Aber eins hat sich nicht geändert: die Repression gegen Linke. So stehen die Wasserwerfer in Richtung des Gegenprotestes, brutale Räumungen von Blockaden und Haftstrafen für Antifaschist*innen. Und das neue Versammlungsgesetz, was vor allem linke Proteste treffen wird, ist gerade erst auf dem Weg...

Daher gilt, ob im Kampf gegen Nazis oder Corona: Auf den Staat ist kein Verlass!

Doch wie geht es jetzt weiter? Die Querdenker-Szene wächst weiter und radikalisiert zunehmend. Offener Antisemitismus, Anschläge auf Impfzentren, Übergriffe und Todeslisten… was wollen und können wir nicht einfach so zulassen. Aus diesem Grund müssen wir dagegen aktiv werden. Es gibt nichts 
Gutes, außer man tut es! 
Dafür müssen wir erst einmal begreifen, wie die Mechanismen der Querdenken-Szene funktionieren. Wir müssen verstehen, dass das System des Kapitalismus die Ungerechtigkeiten hervorruft.

Als zweites müssen wir uns voll und ganz gegen Querdenken positionieren. 
Einen Protest à la “Die Partei” mit Aluhüten und “sind-die-alle-dumm"-Gefasel 
können wir uns nicht erlauben, dafür ist die Sache zu ernst. Wir dulden keine 
Normalisierung faschistischer und sozialdarwinistischer Gedanken. Wir müssen sie isolieren, ausgrenzen und blockieren. Sie sollen sich verpissen und ihr Maul halten!

Zum Schluss reicht es aber nicht aus, nur zu reagieren. Wir müssen selbst das  Leben der Menschen verbessern, damit rechten Ideologien der Nährboden  entzogen wird. Wir müssen uns für Gerechtigkeit und für das gute Leben für 
alle organisieren. Solidarität muss praktisch werden.

Kämpfen wir für eine bessere Welt! Nicht nur heute, sondern jeden Tag!