Aktivismus in Witten. Was geht so, trotz Corona?

Die hochansteckende Erkrankung COVID-19 und die damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln verändern linken Aktivismus. Wir haben keine Möglichkeit mehr, uns in sozialen Räumen zu treffen, auszutauschen und zu bilden. Gleichzeitig können wir nur stark eingeschränkt demonstrieren und uns kollektiv bestärken. Doch gerade jetzt, wenn die Ungerechtigkeiten des kapitalistischen Systems mit aller Wucht einschlagen, gilt es solidarisch eine gerechte Politik zu fordern und gemeinsam in die Tat umzusetzen. Um also auf der einen Seite Menschen nicht durch Ansteckung und der damit einhergehenden Verbreitung zu gefährden, auf der anderen Seite aber Druck auf die regierende Politik und die Reichen der Gesellschaft auszuüben, bedarf es einer Modifizierung linker Praxis.

Nach einem Monat weitestgehender Ruhe vor rechter Propaganda und sinkender Umfragewerte für die AfD, scheinen sie jetzt im Wasser von Verschwörungstheorien und Protest gegen die Infektionsschutzmaßnahmen wieder Fahrt aufzunehmen. Es braut sich eine trübe Suppe aus Wirtschaftsvertreter*innen, Neoliberalen, Querfront, Antisemitismus und Esoterik an, die ähnlich wie bei Pegida von Teilen der deutschen Presse großgeschrieben wird. Aus antifaschistischer Perspektive dürfen wir nicht unsere Ressourcen damit verschwenden, jede einzelne noch so absurde Verschwörungstheorie aufzudecken und skandalisieren zu wollen, da wir ihnen so nur die gewollte Reichweite verschaffen. Wir müssen eigene Antworten auf die Probleme der Menschen geben und ihnen eine Alternative zu Konkurrenz und Ausbeutung bieten.

Durch das Umsetzen von „physical distancing“ (körperlicher Distanz) hat sich ein Großteil linker Politik auf die digitale Welt verlagert. Dieses stark vernachlässigte Feld bietet einige große Vorteile. Da sich in unserer Mediengesellschaft eine Vielzahl der Menschen regelmäßig bis zu mehreren Stunden im Internet informiert, können so mit wenig Aufwand politische Inhalte vermittelt werden. Der Abbau von Barrieren ermöglicht sich zu bilden und zu vernetzen. Wir wären zum Beispiel niemals nach Halle gefahren, um uns einen Vortrag anzuhören. Auch das Aneignen von technischen Fähigkeiten und das effektive Nutzen von sozialen Plattformen wird weiterentwickelt. Das ist auch dringend notwenig, wenn man berücksichtigt, dass die eigenen Inhalte allzuhäufig an der eigenen Freundes- und Algorithmusbubble hängen bleiben und nur Menschen erreicht, die ohnehin schon die gleichen Gedanken teilen.
Aus diesem Grund bleibt der Aktivismus auf der Straße unumgänglich.

Hierfür wollen wir Beispiele aus unserer knapp 100.000 Menschen-Stadt der letzten Wochen vorstellen:

Eigene Inhalte sichtbar machen!

Als klassische Form bleibt das Plakatieren im öffentlichen Raum eine bewährte Möglichkeit, Passant*innen zu erreichen. So sind Plakate für eine solidarische Gesellschaft und einen selbstbestimmten Umgang mit der Coronakrise aufgetaucht. Es lohnt sich bei den Menschen Gedankenanstöße auszulösen und sie in kleinen Schritten Richtung einer progressiven Einstellung zu bewegen.Die neu etablierten Gabenbäume sind eine Möglichkeit, praktische Solidarität mit allen zu zeigen, die finanziell unter der Corona-Krise leiden. Wer im eigenen Viertel Ähnliches umsetzen möchte, kann sich unsere Flyer als Vorlage ausdrucken.

Am 25. April gab es in der Wittener Innenstadt eine Aktion unter dem Label der „Seebrücke“, initiiert durch die lokale Ende Gelände-Gruppe. An zentralen Orten wurden Eimer mit (abwaschbarer) Farbe und Kreide positioniert, die genutzt werden konnten, um die Inhalte und Forderungen im Stadtbild sichtbar zu machen. Dieses Mitmachangebot wurde von vielen Freund*innen und Bekannten angenommen und die Teilnehmenden kamen mit unzähligen weiteren Menschen ins Gespräch. Viele Menschen lasen die Botschaften und erkundigten sich. Das Ganze wurde mit Plakaten, Transparenten, Flyern und anderer Symbolik garniert und erzeugte viele ästhetische Bilder für Print und soziale Medien.

Die zweite größere Aktion wurde am internationalen Arbeiter*innenkampftag durchgeführt. Maßgeblich vom soziokulturellen Zentrum Trotz Allem initiiert, wurde dazu aufgerufen, Transparente mit antikapitalistischen und kritischen Parolen sichtbar zu machen. So wurden am 1. Mai rund 15 Transparente in Witten verteilt gesichtet. Neben der Hoffnung, dass es möglichst viele Menschen gesehen und ihre Emotionen und Gedanken beeinflusst hat, wurde eine schöne Auswahl unter #SolidaritaetstattKonkurrenz gebündelt der Followerschaft präsentiert.

In den beschriebenen Fällen hat sich gezeigt, dass Mitmachaktionen gut angenommen werden. Die Parole „werdet aktiv!“ mit konkreten Handlungsvorschlägen zu füllen, bietet die Möglichkeit indiviuell in der WG, Familie, zu zweit oder alleine niederschwellig aktiv zu sein und sich trotz Corona nicht alleine und gelähmt zu fühlen.

Nutzen wir das Potential, dass aktuell viele Menschen mehr Zeit haben für unsere Praxis! Üben wir gemeinsam und jede*r für sich Druck auf die Politik und die anstehenden Kommunalwahlen aus!

Es geht voran, Geschichte wird gemacht!
Nichts wird uns geschenkt, alles muss erkämpft werden!
Siamo tutti antifascisti!

Rassismus tötet

Rassistische und rechtsextreme Gewalt zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Bundesrepublik Deustchland. Seit 1990 zählt die Amadeu Antonio Stiftung 208 Todesopfer rechtsextremer Gewalt.

Durch die Corona-Krise ist eine längst überfällige Diskussion, die über rechtsextreme Gewalt, noch weiter in den Hintergrund geraten.

Mit unserer Aktion wollen wir auf die tödlichen Folgen von Rassismus aufmerksam machen.
In der Nacht auf Montag sind in Bochum und Witten zahlreiche Gräber als Mahnmahl entstanden.

Rechtsextreme Gewalt ist trauriger Alltag in Deutschland, so wurden im ersten Halbjahr 2019 über 609 Angriffe auf Geflüchtete, ihre Unterkünfte und auf solidarische Menschen gezählt, mehr als drei pro Tag. Während die Bundesrepublik selbst von nur 94 Todesopfern seit 1990 spricht, werden von Journalist*innen und Initiaiven über 200 Opfer gezählt.
Bereits Anfang der 1990er Jahre erlebte rassistische Gewalt in Deutschland einen Aufschwung, bei einem Brandanschlag auf zwei Häuser in Mölln 1992 starben drei Menschen, 1993 gab es bei einem Brandanschlag auf die Familie Genc in Solingen fünf Todesopfer. Am 18. Januar 1996 wurde ein Anschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in Lübeck verübt, bei dem zehn Menschen ums Leben kamen.
Auch in Bochum gibt es tödliche rechte Gewalt: Josef Anton Gera wurde am 14. Oktober 1997 erschlagen und erlag drei Tage später seinen Verletzungen.
Am 7. Januar 2005 wurde der Geflüchtete Oury Jalloh Opfer eines rassistischen Mordes.
Im März selben Jahres erstoch ein Dortmunder Neonazi den Punker Thomas Schulz.
Bei einem rassistisch motivierten Anschlag in München wurden am 22. Juli 2016 neun Menschen getötet.

Der rechte Terror bleibt auch in jüngster Zeit ein Thema. Am 09. Oktober 2019 versuchte ein rechtsextremer Täter eine Synagoge in Halle anzugreifen, was ihm nicht gelang. Daraufhin erschoss er eine unbeteiligte Passantin und kurze Zeit später einen Menschen in einem Dönerimbiss.
Die rasende Entwicklung erreichte am 19. Februar 2020 ihren vorläufigen Höhepunkt: In Hanau wurden neun Menschen in zwei Shishabars erschossen.
Vor knapp zwei Wochen, am 07. April 2020 wurde ein 15-jähriger Junge Opfer rassistischer Gewalt, als dem er von einem Täter angegriffen und niedergestochen wurde. Er kam im Jahr 2015 mit seiner Familie nach Deutschland. Die Familie überlebte den vom Islamischen Staat verübten Genozid an Jezid*innen im Irak.

Wie unbehelligt rechter Terror in Deutschland seinen Schrecken verbreitet, zeigt das Beispiel des NSU.
Zwischen 2000 und 2007 töteten die Terrorist*innen zehn Menschen, begangen drei Sprengstoffanschläge und 43 versuchte Morde sowie 15 Raubüberfälle. Dass im Kampf gegen rechtsextreme Gefahr auf den Staat kein Verlass ist, wurde bei den Ermittlungen zum NSU-Komplex deutlich, immer wieder wurden seitens des Verfassungsschutzes Akten vernichtet oder wichtiges Beweismaterial und Informationen unterschlagen.
Der NSU-Komplex zeigt eindeutig: Der Staat ist auf dem rechten Auge blind.

Wir rufen dazu auf, weitere Gräber im öffentlichen Raum zu errichten.
Erinnern heißt kämpfen!
In Gedenken an die Opfer rassistischer Gewalt in Witten und überall!

Refugees Welcome

Wir solidarisieren uns mit allen Geflüchteten, NGOs, Helfer*innen, kritischen Journalist*innen und Antifas in Griechenland und der Türkei. Ihr seid nicht alleine!

Wir fordern die EU und Deutschland auf, alle Geflüchteten aufzunehmen!

 

Und auch ihr in Deutschland könnt etwas tun: Werdet aktiv gegen die tötliche Politik – macht das Thema präsen, redet mit Mitmenschen darüber, geht zu Demos oder schließt euch bestehenden Gruppen an für weitere politische Aktionen & Aufklärung.

Vortragsreihe: Fliehen und Ankommen?!

Wir als Gesellschaft stehen immer vor der Frage: Wie wollen wir miteinander leben? Wenn im Zuge von Krieg, Armut und Klimawandel Menschen nach Europa, nach Deutschland, ins Ruhrgebiet kommen, dann kann das eine Gesellschaft vor Herausforderungen stellen, aber auch zu neuen Chancen führen. Ängste, Vorurteile und Unwissenheit machen sich rechte Akteur*innen zunutze, um durch rassistische Propaganda die Menschen gegeneinander aufzuwiegeln und ein friedliches und gleichberechtigtes Miteinander zu verunmöglichen. Dem wollen wir etwas entgegensetzen, wir wollen Menschen zusammenbringen. Wir wollen mittels Bildung und Reflexion einen offenen Raum schaffen, um zu lernen und zu vernetzen.

Für ein besseres Morgen für Alle!

Im:

Soziokulturellen Zentrum Trotz Allem, Wideystr. 44 in Witten

und

Provisorium – Ladenlokal Kulturfabrik, Dorstener Str. 17 in Bochum

Immer ab 18 Uhr geöffnet, Vorträge ab 19 Uhr, anschließend Küfa.

Termine:

4. Februar, Trotz Allem: Die Flucht durch Afrika und was das mit Kolonialismus zu tun hat (Begegnung mit Afrika e.V.)

20.Februar, Kulturfabrik: Klimaveränderungen als Fluchtgrund (Klimavernetzung Ruhr)

3.März, Trotz Allem: Die Lager auf Lesbos und der türkische Flüchtlingsdeal

19.März, Kulturfabrik: Seenotrettung im Mittelmeer (Iuventa)

7.April, Trotz Allem: Die Geschichte der Abschiebehaft (Antifa Paderborn – kritik & praxis)

16.April, Kulturfabrik: Angekommen in Deutschland? (Flüchtligsrat NRW)

Solidarität mit Rojava!

Wir rufen dazu auf, sich der Demo am 1. November 2019 in Bochum anzuschließen!
Schließt euch gerne dem gemeinsamen Anreisetreffpunkt um 14:15 Witten Hbf an.

Hier ist der komplette Aufruf:

Der 01. November ist Welt-Kobanê-Tag. Seit 5 Jahren gehen an diesem Tag viele Menschen auf die Straße für die Wahrung der Menschenwürde und der Menschlichkeit, anlässlich der Belagerung der kurdischen Stadt Kobanê
seitens des IS. Kobanê wurde Stein um Stein von der YPG und YPJ verteidigt und wurde zum Symbol des Widerstandes.

Am 09.10.2019 begann die Türkei einen Völkerrechtswidrigen brutalen Krieg und marschierte in Rojava ein. Mit diesem Feldzug gegen die kurdische Selbstverwaltung und die dort lebende Bevölkerung sind auch Frieden und Demokratie der gesamten Region gefährdet.

Die Kurd*innen wurden vom Westen erneut verraten. Die USA und die internationale Koalition haben einen Abzug ihrer Truppen angekündigt und der Türkei so den Weg zu einem Krieg gegen die Region und deren Bevölkerung geebnet.

Die kurdischen Widerstandskämpfer*innen in Kobanê, Hesekê, Minbij und all den anderen Orten, kämpfen nicht nur gegen den Aggressor Türkei, sie verteidigen auch ein anderes Gesellschaftsmodell geprägt von Basisdemokratie und Geschlechtergerechtigkeit. Frauen* kämpfen nicht nur
in den Verteidigungseinheiten, sondern sie stellen die Vorreiter*innen im Aufbau einer multiethnischen, emanzipierten, demokratischen Gesellschaft dar. Nicht nur die Verwaltung sondern auch die Ökonomie wird demokratisiert. So wird auf allen Ebenen eine demokratisch-ökologische Alternative zur kapitalistischen Moderne aufgebaut.

In Rojava wird nicht nur eine Region verteidigt, sondern die Werte und die Hoffnung der Menschlichkeit! Die Kurd*innen kämpften für ihre Autonomie und gegen die Mörderbanden des sogenannten Islamischen Staates.

Wir wollen am 1. November 2019, dem Weltkobanêtag, mit einer Demonstration und Kundgebung auf die Lage in Rojava und Nord-Kurdistan aufmerksam machen und erneut unsere Solidarität mit dem Kampf um demokratische Selbstverwaltung im Mittleren Osten zum Ausdruck bringen.

Es lebe der Widerstand von Kobanê – Es lebe der Widerstand von Rojava!
Es lebe die Demokratische Autonomie!

Kommt um 15 Uhr zum Bochumer Hauptbahnhof!